Davud Faghih-Zadeh von Hausärzte MKK im Interview
Das Jahr 2023 ist fast zu Ende. Wie blickt ein Hausarzt aus der Region auf die vergangenen zwölf Monate? Welche Krankheiten sind auf dem Vormarsch? Wie sieht es in den Praxen in Sachen Digitalisierung aus? Wie gut ist die Region hausärztlich für die Zukunft gerüstet? Im Interview beantwortet Dr. med. Davud Faghih-Zadeh (links) genau diese Fragen. Er leitet mit (weiter von links) Dr. Zuzana Zimmermann und Dr. Ingo Roth die überörtliche Gemeinschaftspraxis Hausärzte MKK, die Standorte in Schlüchtern, Bad Soden-Salmünster, Langenselbold und Schöneck hat.
Wie beurteilen Sie das Jahr 2023 aus hausärztlicher Sicht?
Das Jahr ist geprägt von weiter steigenden Patientenzahlen. An unseren Standorten behandeln wir täglich gut 200 Patientinnen und Patienten, dazu kommen locker 200 Anfragen per Telefon oder über unser Online-Chatportal. Um diese Menge innerhalb eines Tages ordentlich, fehlerfrei und professionell abarbeiten zu können, muss man sich einiges einfallen lassen.
Zum Beispiel?
Wir sind einige weitere Schritte in Sachen Digitalisierung gegangen. Bei uns kann man ganz einfach über die Homepage Termine vereinbaren, und ein Telefoncomputer nimmt unseren Mitarbeitenden außerdem Telefonate ab – natürlich kann man weiterhin mit einem Menschen sprechen, wenn es nötig ist. Es gibt aber eine Vielzahl an Anfragen, die problemlos über den Computer erledigt werden können. Eine Erleichterung für alle Seiten. Perspektivisch müssen wir alles dafür tun, um die jungen Medizinerinnen und Mediziner wieder stärker für den Beruf des Allgemeinarztes zu begeistern, gerade hier im ländlichen Raum.
Was tun Sie dafür?
Mein Arztkollege Dr. med. Ingo Roth und ich lehren zum Beispiel an der Universität in Frankfurt und machen da natürlich auch fleißig Werbung für diesen tollen und abwechslungsreichen Beruf. Darüber hinaus bieten wir angehenden Medizinerinnen und Medizinern Praktika und Famulaturen bei uns an. Ich sehe da aber auch die Politik in der Pflicht, den Beruf attraktiver zu machen – zum Beispiel über eine Anpassung der Gebührenordnung. Sonst kann es passieren, dass Menschen künftig 30 oder 40 Kilometer fahren müssen, um zu ihrem Hausarzt zu kommen.
Wie beurteilen Sie die ärztliche Versorgung im Main-Kinzig-Kreis?
Die Versorgung in unserer Region ist schon jetzt lückenhaft, Tendenz steigend. Vor 30 Jahren musste sich ein Hausarzt um etwa 2000 Patientinnen und Patienten kümmern, mittlerweile hat sich diese Zahl verdoppelt. Das heißt: Da bleibt nur noch halb so viel Zeit übrig. Die Menschen sagen zu Recht, dass sich ihr Hausarzt früher mehr Zeit für sie genommen hat. Er hatte schließlich auch mehr Zeit. Deshalb ist es ja so wichtig, dass wir unsere Strukturen optimieren – und da sind wir bei wieder beim Thema Digitalisierung.
Was kann man in Sachen Digitalisierung in Zukunft erwarten?
Ziel der Digitalisierung ist es grundsätzlich, die administrativen Arbeiten auszulagern, um sich den Patientinnen und Patienten intensiver widmen zu können. Manchmal aber wird Digitalisierung zum Selbstzweck, zum Beispiel dann, wenn Anträge zwar digital abrufbar sind, aber in Papierform eingereicht werden müssen. Das macht uns mehr Arbeit als vorher. Das E-Rezept ist eine super Sache, es muss aber eine einfache Umsetzbarkeit finden. Unsere Strukturen mit 16 Bundesländern und mehr als 100 Krankenkassen machen es schwierig, bei vielen Themen eine einheitliche Lösung auf die Beine zu stellen. Ich bin aber ein sehr optimistischer Mensch – und deshalb gehe ich ganz fest davon aus, dass wir gute Lösungen finden werden, um die ärztliche Versorgung im Main-Kinzig-Kreis und der Region dauerhaft zu sichern.
Gab es besondere Krankheiten, die das Jahr 2023 dominiert haben?
Nein, es gab keine neuen Krankheitsbilder im Main-Kinzig-Kreis, die nicht vorher auch schon saisonal da gewesen wären. Wir hatten es auch in diesem Jahr wieder mit vielen „Klassikern“ zu tun, zum Beispiel mit der Volkskrankheit Diabetes oder mit Lungen- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Psychische Erkrankungen nehmen weiter zu, ich kann allerdings nicht sagen, ob dies ein zufälliger Ausschlag ist oder ob es dem Wandel unserer Welt geschuldet ist. Das werden wir vielleicht in einigen Jahren feststellen können.
Wie lautet Ihre Empfehlung hinsichtlich der Winter-Impfungen? Sollten sich die Menschen gegen Influenza- und Coronaviren impfen lassen?
Ich bin ein Befürworter des Impfens, vor allem bei den Klassikern, also beispielsweise Tetanus, Diphtherie oder Keuchhusten. Bei der Prävention von Erkältungskrankheiten, also der Grippe beziehungsweise dem Influenzavirus, muss man sich aber bewusst machen, dass die Impfung nur ein Mosaiksteinchen ist. Ebenso wichtig ist ganz sicher aber auch das tägliche Spazierengehen und das Tragen eines Schals im Winter – wenn nicht sogar wichtiger. Gleiches gilt für den Corona-Impfstoff – auch dieser kann sinnvoll sein, reicht aber als einzige Maßnahme gewiss nicht aus. Klar ist: Es kommt immer auf den Einzelfall an. Oftmals ist die Mischung aus mehreren Maßnahmen die beste Lösung, man sollte nicht blindlings auf Medikamente oder Impfungen vertrauen, sondern immer auch selbst etwas für die Gesundheit tun. Dann kommt man gut durch den Winter – und gut durchs Leben.